Von der Allgemeinen Haftpflicht-Versicherung (1965) über die 80er Jahre (Kasko, Rechtsschutz, Hausrat) in die liberalisierte Welt ab 1994/95
Historie von Beitragsanpassungsklauseln (BAK) mit Treuhänderbeteiligung in der Schadenversicherung in Deutschland
Die folgende Darstellung fasst meine persönliche Erfahrung zusammen. Insofern besteht kein Anspruch auf Vollständigkeit und Richtigkeit. Einige Details beruhen auf Angaben Älterer (die dabei waren) mir gegenüber.
Der Anfang – Allgemeine Haftpflicht
Das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen (BAV) hat im Jahr 1965 § 8 Ziffer III der AHB, der die Prämienangleichung enthält, genehmigt (siehe Veröffentlichungen des Bundesaufsichtsamtes für das Versicherungs- und Bausparwesen Nr. 10 vom 31. Oktober 1965). Diese BAK enthält erstmals eine Treuhänderregel: Der Treuhänder ermittelt entsprechend der BAK, wie sich Versicherungsbeiträge verändern. Vorher wurden Beitragsanpassungen von den Versicherern beim BAV beantragt und – zum Teil nach Verhandlungen – dann genehmigt und umgesetzt. Das BAV wollte mit dieser Treuhänder-BAK Arbeit ersparen. Als Treuhänder kam für das BAV nur die staatseigene (44% der Anteile beim Bund, 55% verteilt auf fünf Bundesländer) Wirtschaftsprüfungsgesellschaft „Treuarbeit“ in Frage.
Die 80er: Kasko, Rechtsschutz, Hausrat
Anfang der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts wurden die Tarife in der Kaskoversicherung freigegeben, sie unterlagen nicht mehr der Prüfung und Genehmigung durch die Aufsicht. Angesichts der guten Erfahrung mit dem Treuhänderverfahren in der Allgemeinen Haftpflichtversicherung übernahm der immer noch staatliche Treuhänder „Treuarbeit“ auch in der Kaskoversicherung weitere Aufgaben: Zum einen die Führung des Typklassenverzeichnisses für Pkw (und damit der Einstufung neuer Fahrzeuge sowie der jährlichen Umstufung des Bestandes), zum anderen die marktweit einheitliche Ermittlung von Beitragsanpassungssätzen in Voll- und Teilkasko. Dazu trat noch die Ermittlung von Regio-Indizes für Pkw. Alle Änderungen in der Kaskoversicherung wurden vom BAV bestandswirksam umgesetzt.
Ebenfalls Anfang der 80er Jahre wurde in einem Vergleich vor dem Bundesverwaltungsgericht unter Beteiligung von Bundeskartellamt und BAV eine BAK für die Rechtsschutzversicherung ins Leben gerufen – auch diese mit Treuhänder. Auch hier wurde die „Treuarbeit“ berufen, einmal jährlich Beitragsanpassungssätze zu ermitteln. Diese Regelungen galten aber nur für das Neugeschäft.
Schließlich kam nach dem Muster der Rechtsschutzversicherung mit den VHB 84 in der Hausratversicherung ebenfalls eine BAK für das Neugeschäft auf den Markt.
Aufgrund von Bedenken des Bundeskartellamts wurde die BAK mit den AKB 88 geändert: Es wurden vom Treuhänder nunmehr unternehmensindividuelle Beitragsanpassungssätze ermittelt, deren Berechnung auf den Daten des jeweiligen Unternehmens beruhten und auf einen Korridor um die Marktdurchschnittswerte begrenzt wurden. Die „abgeschnittenen“ Teile wurden in das nächste Jahr vorgetragen, nicht umgesetzte Erhöhungspotentiale konnten ebenfalls vorgetragen werden. Der Treuhänder hatte vielfach die Gelegenheit, Vorstandsmitgliedern einzelner Versicherer die Rechenlogik ihrer eigenen Anpassungsklausel zu erläutern.
Die 90er: Liberalisierung 1994/1995
Mit der EU-weiten Liberalisierung des Versicherungsmarktes wurden auch die Tarife in der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung freigegeben. Mit dem Typklassentarif übernahm der Treuhänder „Treuarbeit“ auch die Typklasseneinstufung für Pkw in KH sowie die Ermittlung der Regio-Indizes für KH.
Mit der EU-weiten Liberalisierung waren die Versicherer nicht mehr zu markteinheitlichen Bedingungswerken verpflichtet (Aufsichtsphilosophie bis dahin: einheitliche Bedingungen, Wettbewerb über den Preis) – und nutzten die neue Freiheit gerne. So gab es viele Unternehmen, die in verschiedenen Sparten neue Versicherungsbedingungen gestalteten, die eine unternehmenseigene Beitragsanpassungsklausel mit Treuhänderbeteiligung enthielten. Typischerweise war jedoch nicht mehr der Treuhänder derjenige, der die Anpassungssätze ermittelte, sondern der Versicherer. Der Treuhänder bekam eine prüfende Rolle: Eine Beitragsanpassung war danach nur zulässig, wenn ein unabhängiger Treuhänder bestätigte, dass sie den Versicherungsbedingen (also der jeweiligen BAK) entspricht.
Liberalisierungstendenzen trafen auch den Treuhänder „Treuarbeit“: Die „Treuarbeit“ wurde entstaatlicht und landete schließlich als Teil einer Landesgesellschaft bei PwC.
Das neue Jahrtausend
Nach dem Jahr 2000 führten viele Versicherer in der Gebäudeversicherung eine BAK mit Prüfung durch den Treuhänder ein. In der Kraftfahrtversicherer spielt der Treuhänder für die BAK bei den meisten Versicherern keine Rolle mehr, in der Typklassen- und Regionalstatistik ist er geblieben.
Ab 2008 hat die Fidacta bei vielen Versicherern Aufgaben des Treuhänders für unternehmensindividuelle BAK übernommen, die Aufgaben des marktweiten Treuhänders für Allgemeine Haftpflicht, Rechtsschutz und Hausrat wanderten zu EY.
Quellenfunde
Bundeskartellamt – Tätigkeitsbericht 1981/82, Stand: 01.06.1983, S. 84:
„Der Bundesminister für Wirtschaft hat am 13. Dezember 1979 die Tarife für die Fahrzeug-Vollversicherung freigegeben; sie unterliegen somit seit Anfang 1982 nicht mehr der Genehmigung durch das Bundesaufsichtsamt. Der HUK-Verband hat darauf zunächst die Grundlagen der Beitragstarifierung in Form eines Kalkulationskartells vereinheitlichen wollen. Später hat er seinen Mitgliedern die Anwendung der von ihm ausgearbeiteten Änderungen von Bedingungen und Tarifbestimmungen empfohlen. Das Bundesaufsichtsamt hat durch Verordnung vom 17. Dezember 1981 (VerBAV 1982, 154) diese Änderungen für die bestehenden Versicherungsverträge in Kraft gesetzt. Die Möglichkeit der Mißbrauchsaufsicht des Bundeskartellamtes ist damit strittig geworden.“
AHB 65
Das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen (BAV) hat im Jahr 1965 § 8 Ziffer III der AHB, der die Prämienangleichung enthält, genehmigt (siehe Veröffentlichungen des Bundesaufsichtsamtes für das Versicherungs- und Bausparwesen Nr. 10 vom 31. Oktober 1965).
ARB 81
Das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen (BAV) hat im Jahre 1981 den Rechtsschutzversicherungsunternehmen eine Beitragsangleichungsklausel zu den ARB 81 genehmigt. Zum Wortlaut der vom BAV genehmigten Fassung der Beitragsangleichungsklausel siehe Veröffentlichungen des BAV 1984, Seite 172.
VHB 84
Das Bundesaufsichtsamt für Versicherungswesen (BAV) hat im Jahr 1984 Allgemeine Hausratversicherungsbedingungen (VHB 84) genehmigt (siehe Veröffentlichungen des BAV 8/84, Seite 284), die in § 16 Nr. 2 eine Prämienangleichungsklausel enthalten
AKB 88 veröffentlicht im Bundesanzeiger 1988 S. 3658
„Allgemeine Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung – (AKB 1988)1In der Fassung vom 26. Juli 1988“
(Amtliche Anmerkung: Die AKB i.d.F vom 18. 12. 1970, zuletzt geändert am 28. Juni 1988 (BAnz. S. 3025) sind durch Genehmigung der Versicherungsaufsichtsbehörden in der Gliederung vor Abschnitt A und in den §§ 3, 7, 8, 9a und 12a geändert und in den §§ 12b bis 12d sowie 16 bis 23 neu gefaßt worden. Die Änderung der Gliederung vor Abschnitt A und der §§ 3, 7, 8 und 9a finden gemäß § 9a Abs. 3 AKB auch auf bestehende Versicherungsverhältnisse Anwendung. Die Änderung bzw. Neufassung der §§ 12a bis 12d ist mit Wirkung vom 10. Juli 1988 durch die Verordnung über die Änderung der Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung (AKB) vom 28. Juni 1988 (BAnz. S. 3025) auch für bestehende Versicherungsverträge in Kraft gesetzt worden, wobei § 12c nur auf nach dem 30. Januar 1986 abgeschlossene Versicherungsverträge Anwendung findet.Die §§ 16 bis 23 AKB sind den neuen Allgemeinen Unfallversicherungs-Bedingungen (AUB 88) angepaßt worden und gelten – vorbehaltlich abweichender Satzungsbestimmungen einiger Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit – nur für neu abgeschlossene Verträge. Die Neufassung der AKB wurde am 26. 7. 1988 vom Bundesaufsichtsamt bekannt gemacht.)
geändert durch Bekanntmachung über die Änderung von Bedingungen in der Kraftfahrtversicherung vom 04. 12. 1991 (BAnz. S. 8274)