IFRS 15: Vertragserfüllungskosten

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Kein einheitlicher Grundsatz, keine Kostenabgrenzung zur Margenglättung, zahlreiche offene Fragen

Keine umfassenden Regelungen für Vertragserfüllungskosten

Die Kosten für die Vertragserfüllung und damit die Gewinnrealisierung werden nach IFRS 15 manchmal nur am Rande betrachtet und ggf. stiefmütterlich oder nur in Teilen behandelt. Dies gilt auch für den Standardsetter selbst.

Wie der Standardsetter selbst in IFRS 15.BC304f ausführt, entwickelte er nur für manche Kosten Regelungen und es erfolgte keine umfassende Betrachtung der Bilanzierung dieser Kosten. Eine (aktivische oder passivische) Abgrenzung von Kosten kommt aber nach IFRS 15.BC308 nur in Frage, wenn dafür die Ansatzkriterien eines Vermögenswerts bzw. einer Schuld erfüllt sind. Der IASB stellt dabei auch klar, dass einem Unternehmen die (aktivische) Kostenabgrenzung untersagt ist, wenn sie nur wegen einer Glättung der Gewinnmarge über die Laufzeit eines Kundenvertrags erfolgt.

Das Prinzip der periodengerechten Gewinnerfassung (Matching Principle) tritt somit gegenüber den Ansatzkriterien für Vermögenswerte und Schulden zurück, d.h. die statische Bilanztheorie geht der dynamischen vor. Mit anderen Worten: Denselben Prozentsatz des Leistungsfortschritts, der für die Erfassung von Umsatzerlösen ermittelt wird (erbrachte Leistung im Verhältnis zu erwarteter/ vereinbarter Gesamtleistung), darf man unter IFRS 15 nicht automatisch auf den Gesamtgewinn eines Kundenvertrags anwenden, um den anteiligen Periodengewinn für diesen Kundenvertrag zu ermitteln. Mit noch anderen Worten: In unterschiedlichen Perioden kann es für ein- und denselben Kundenvertrag unter IFRS 15 zum Ausweis unterschiedlich hoher Gewinnmargen kommen.

Bestehende Regelungen zu Vertragserfüllungskosten in IFRS 15

  1. Im Anwendungsbereich eines anderen Standards

Zunächst ist zu betrachten, ob die Kosten in den Anwendungsbereich eines anderen Standards fallen, denn dann kommen die Regelungen dieses anderen Standards zur Anwendung (vgl. IFRS 15.95). Diese anderen Standards sind u.a. IAS 2 Vorräte, IAS 16 Sachanlagen, IAS 36 Wertminderung von Vermögenswerten, IAS 38 Immaterielle Vermögenswerte oder IFRS 16 Leasingverhältnisse.

Damit gelten auch die Regelungen dieser Standards, wann und in welcher Höhe diese Kosten aufwandswirksam erfasst werden. Beispielsweise bei Treibstoffen/ fossilen Energieträgern nach den Regelungen von IAS 2, einschließlich der Folgebewertung nach dem Niederstwertprinzip in IAS 2.28-33.

Dies bedeutet aber auch, dass für diese Kategorie von Kosten jegliche (weitere) aktivische oder passivische Abgrenzung unter IFRS 15 ausscheidet.

  1. Aktivierungspflicht nach IFRS 15.95ff.

Kosten der Vertragserfüllung sind nur dann zu aktivieren, wenn

  • sie in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Kundenvertrag stehen,
  • sie Ressourcen des Unternehmens schaffen oder verbessern, die zur künftigen/ weiteren Leitungserfüllung eingesetzt werden sollen UND
  • ein Ausgleich der Kosten erwartet wird.

Während das erste und dritte Kriterium idR einfach zu beurteilen sein werden, bietet das zweite Kriterium zahlreiche Ermessungsspielräume und Unklarheiten. Berücksichtigt man die (obigen) Ausführungen des IASB in seiner Grundlage für Schlussfolgerungen, dann bedeutet Ressourcen soviel wie Vermögenswerte, d.h. deren Ansatzkriterien müssen erfüllt sein. Häufig wird es sich bei diesen Aktiva um Rechte auf zukünftig zu erhaltende Leistungen handeln.

Unklar bzw. ungeregelt ist u.a. der Fall eingekaufter Leistungen (zB Transportleistung eines Spediteurs) für einen Vertrag mit einem Kunden, wenn diese Leistungen am Stichtag erst teilweise erhalten wurden: Ist dann die daraus resultierende Verpflichtung aus der Gegenleistung (d.h. zur Zahlung des vereinbarten Speditionsentgelts) in voller Höhe zu passivieren oder wird diese nur ratierlich passiviert? Grundsätzlich folgen die IFRS dem Grundsatz des vollständigen Schuldenausweises. Wäre die Verpflichtung dann in voller Höhe zu passivieren und in Höhe der noch nicht erhaltenen Transportleistung nach IFRS 15.95ff zu aktivieren?

  1. Zwingend als Aufwand zu erfassen nach IFRS 15.98

Stets als Aufwand zu erfassen sind

  • allgemeine Verwaltungskosten (ausgenommen Kosten, deren Weiterbelastung an den Kunden vertraglich ausdrücklich vorgesehen ist; in diesem Fall sind die Kosten anhand von IFRS 15.97 zu prüfen),
  • Kosten für Materialabfälle, Löhne oder andere zur Vertragserfüllung eingesetzte Ressourcen, die nicht im vertraglich vereinbarten Preis berücksichtigt sind,
  • Kosten im Zusammenhang mit bereits erfüllten (oder teilweise erfüllten) Leistungsverpflichtungen aus dem Vertrag (d.h. Kosten, die sich auf in der Vergangenheit erbrachte Leistungen beziehen) und
  • Kosten, bei denen ein Unternehmen nicht unterscheiden kann, ob sie sich auf noch nicht erfüllte oder bereits erfüllte (oder teilweise erfüllte) Leistungsverpflichtungen beziehen.

Bei den letzten beiden Punkten bestehen naturgemäß ebenfalls Ermessensspielräume, welche Kosten sich genau auf die Erbringung welcher Teile von Leistungen, d.h. vergangener oder zukünftiger, beziehen und wann genau keine Unterscheidbarkeit in Hinblick auf erbrachte und noch zu erbringende Teile von Leistungen gegeben ist.

  1. Keine Regelungen bzgl. Passivierungspflicht in IFRS 15

In IFRS 15 gibt es keine Regelungen in Bezug auf eine Passivierung von Vertragserfüllungskosten (siehe oben den Beispielfall eingekaufter Leistungen), so dass auch hier auf die Vorgaben anderer Standards zurückgegriffen werden muss. Denkbar sind hier u.a. die Regelungen zur Rückstellungsbildung des IAS 37 sowie allgemein (ohne spezifischem Standard) zu Ansatz und Abgrenzung von Verbindlichkeiten (Accruals) nach den Grundsätzen für die Passivierung von Schulden. Nach IAS 37 sind ferner Drohverluste zu betrachten, die zu Beginn oder erst während der Vertragserfüllung gegeben sein könnten.

Keine Ausweisregeln für abgegrenzte Vertragserfüllungskosten

IFRS 15 enthält keine Regelungen, wie nach IFRS 15.95ff. abgegrenzte Vertragserfüllungskosten in der Bilanz ausgewiesen werden. Ein Ausweis als Vertragsvermögenswerte/ Vertragsverbindlichkeiten (IFRS 15.105ff.) scheidet konzeptionell aus, denn diese Vertragsvermögenswerte/ Vertragsverbindlichkeiten bilden inhaltlich die Output- bzw. Kundenseite und wertmäßig Erlöse ab, d.h. Größen inkl. Gewinn(zuschlägen). Dieser ausschließliche Bezug auf die Kundenseite lässt sich aus der Definition von Vertragsvermögenswerten/ Vertragsverbindlichkeiten im Anhang A des IFRS 15 klar erkennen. Die Vertragserfüllungskosten betreffen hingegen die Input- bzw. Lieferantenseite und sind Anschaffungs-/Herstellungskosten ohne die vom Unternehmen erzielten Gewinne. Somit bietet sich ein Ausweis unter Sonstigen Aktiva (Sonstige Vermögenswerte) bzw. Sonstigen Passiva (Sonstige Rückstellungen/ Verbindlichkeiten) an.

Abhängig von der Methode der Messung des Leistungsfortschritts

Die Frage der Abgrenzung von Vertragserfüllungskosten ist unmittelbar abhängig von der gewählten Methode zur Ermittlung des Leistungsfortschritts/ Fertigstellungsgrades.

Die Cost-to-Cost-Methode hat den (scheinbaren) Vorteil, dass sich die Abgrenzung von Vertragserfüllungskosten nicht stellt, da diese Methode definitionsgemäß alle angefallenen Vertragserfüllungskosten 1:1 den erbrachten Leistungen zuordnet, d.h. der Leistungsfortschritt ist genau in der Höhe, wie Vertragserfüllungskosten angefallen sind. Allerdings stellt sich bei dieser Methode die Frage, ob sie den Leistungsfortschritt des Unternehmens, also nach IFRS 15 die Übertragung von Verfügungsmacht an den Kunden, zutreffend abbildet. Dies ist uU nicht gegeben bei Fremdbezug von wesentlichen Leistungen, da diese erhaltenen Fremdleistungen nicht zwingend eine Leistungsabgabe bzw. einen Leistungsfortschritt gegenüber dem Kunden bedeuten. Ähnliches gilt für Arbeitsvorbereitungskosten, Rüstkosten und Ineffizienzen (auch durch Preissteigerungen).

Bei allen anderen Methoden der Messung des Leistungsfortschritts, wie zB zeitabhängig, nach Volumenmaßen mit Arbeitsstunden, etc., stellt sich immer auch die Aufgabe der Abgrenzung von Vertragserfüllungskosten, da der Kostenanfall idR nicht 1:1 den jeweils nach diesen Methoden ermittelten, realisierten (Teil-)Erlösen aus dem Vertrag mit dem Kunden entspricht.

Resümee

IFRS 15 enthält keinen einheitlichen Grundsatz und keine umfassenden Regelungen zur Erfassung von Vertragserfüllungskosten und damit letztlich des Gewinns aus dem Kundenvertrag. Es kommen verschiedentliche Regelungen zur Anwendung, teilweise im IFRS 15 und teilweise in anderen Standards mit diversen Ermessensspielräumen, welche die Komplexität und damit die Gefahr von Fehlern im IFRS-Abschluss erhöhen. Auch bei Anwendung der Cost-to-Cost-Methode stellt sich die Frage der Abgrenzung von Vertragserfüllungskosten, wenn nicht alle Vertragserfüllungskosten in die Berechnung des Leistungsfortschritts/ Fertigstellungsgrades einfließen, oder es stellt sich die Frage, ob Cost-to-Cost den tatsächlichen Leistungsfortschritt zutreffend abbildet (u.a. wegen Bezug Fremdleistungen, Arbeitsvorbereitung, Rüstkosten, Ineffizienzen, etc.). Eine (aktivische) Kostenabgrenzung für Zwecke einer reinen Gewinnglättung (konstante Marge) ist nach IFRS 15.BC308 explizit ausgeschlossen.